Kein schöner Land? Kontinuitäten rassistischer Gewalt

Rassistische Gewalt ist kein Nebenschauplatz der deutschen Gesellschaft. Sie findet nicht als statistische Randnotiz einer vermeintlich weltoffenen und demokratischen Mitte statt und lässt sich auch nicht in den Abgründen der als extremistisch klassifizierten politischen Ränder verorten. Gewalt als sichtbarer Akt einer rassistischen Nations- und Gesellschaftsvorstellung lässt sich erst als solcher verstehen, wenn man sich über die Anschlussfähigkeit an gesellschaftlich geteilte und akzeptierte Leitbilder bewusst wird.
Rassistische Gewalt findet nicht in einem luftleeren Raum statt, sondern hat vor allem dann Konjunktur, wenn sich der gesellschaftliche Diskurs der Ideologie der Täter*innen annähert. 

In der deutschen Öffentlichkeit folgt auf diese Erkenntnis jedoch nur selten eine konsequente Aufarbeitung. Stattdessen kursiert noch immer das Bild von verwirrten Einzeltätern in Medien und öffentlichen Debatten. Nicht selten wird so die Sicht auf die Motive der Täter*innen versperrt oder gar bewusst ausgeklammert und Rassismus als Tatmotiv nicht erkannt. Für die Menschen, welche rassistischer Gewalt ausgesetzt sind, ist diese nicht zu übersehen, geschweige denn zu vergessen.
Im Rahmen des Projektes „Kein schöner Land? Kontinuitäten rassistischer Gewalt“ soll die Möglichkeit geboten werden, sich diesem Thema und seiner Komplexität anzunähern und dieses zu reflektieren. 
Bezugs- und Ausgangspunkt dafür wird das „Arson Archive“ sein. Das Archiv ist eine Installation des Informationsdesigners Thomas Stratmann, in welcher Brandanschläge auf Einwanderer- und Flüchtlingsunterkünfte seit der deutschen Wiedervereinigung gesammelt und wirkungsvoll sichtbar gemacht wurden. 

Vom 27. Mai 2019 bis zum 11. Juni 2019 wird das Projekt in den Kunsthallen an der Rottstraße 5 in Bochum ausgestellt. Um über die Visualisierung der Gewalt hinauszugehen, wird die Ausstellung um ein informatives Rahmenprogramm, in Form von Vorträgen, einer Podiumsdiskussion und einer Filmvorführung erweitert.


Veranstaltungen:

27.5.2019, 19 Uhr:
Vernissage des „Arson Archive“

11.06.2019, 19 Uhr
Finissage des „Arson Archive“

Rottstr 5 Kunsthallen, Rottstr. 5, 44793 Bochum


Thomas Stratmann wird einen Vortrag über die Recherche und Entstehung des „Arson Archive“ halten.
Beginn: 19 Uhr

Was ist das Arson Archive?

Die Erinnerungskultur ist ein wichtiger Meilenstein für Deutschlands Rehabilitation in der Nachkriegsgeschichte. In jüngerer Vergangenheit fällt es den Deutschen jedoch schwer, sich der neuen Entwicklung des Rechtsextremismus entgegenzustellen. Das Brandstiftungsarchiv konfrontiert rechte Gewalt und verdeutlicht den sich ausbreitenden, blinden Hass mit erschütternder, räumlicher Präsenz.

Mehr Informationen über das Archiv hier!
Zur Facebookveranstaltung hier!


29.05.2019, 19 Uhr:
Vortrag der Opferberatung Rheinland: Wer ist wie von rechter Gewalt betroffen?
Rottstr 5 Kunsthallen, Rottstr. 5, 44793 Bochum

Rechtsextreme oder rassistische Gewalt richtet sich häufig
gegen MigrantInnen, politisch Andersdenkende, alternative
Jugendliche, Schwarze Deutsche, Wohnungslose oder Schwule
und Lesben.
Die Opferberatung Rheinland unterstützt Menschen, wenn
sie von Rechtsextremist*innen oder aus rassistischen, antisemitischen und anderen menschenfeindlichen Motiven bedroht oder angegriffen werden. Sie bieten ihnen einen sicheren Raum, um über das Erlebte zu sprechen und helfen dabei, die Folgen rechtsextremer oder rassistischer Gewalt zu bewältigen und neue Handlungsspielräume zu gewinnen.
In dem Vortrag wird es unter anderem darum gehen, wie häufig
bestimmte Menschengruppen Opfer von rechter Gewalt werden,
mit welchen konkreten Auswirkungen und Problemen Betroffene oft zu kämpfen haben und was den Betroffenen helfen kann.
Zusätzlich wird sich mit der Frage beschäftigt, ob dieses Thema
auf der Agenda von Land und Kommune zu wenig Beachtung findet.

Zur Facebookveranstaltung hier!


30.05.2019, 19 Uhr:
Vortrag von Mark Haarfeldt „Die Medien und die rechte Mobilisierung“
Rottstr 5 Kunsthallen, Rottstr. 5, 44793 Bochum

Mit Beginn der Pegida-Demonstrationen und der hochemotionalen Debatte in der Öffentlichkeit um die Ankunft von hunderttausenden geflüchteten Menschen war die mediale Debatte um
die AfD und rechte Netzwerke ein kontroverses Thema, welches
bis heute in der Medienlandschaft existiert. Die politische Beurteilung, wie Medien Pegida und Co. politisch einordnen, war
und ist durchaus verschieden. Der hohe Zuspruch für Pegida
kann unter anderem auf die mediale Berichterstattung zurückgeführt werden, die mitunter die Spaziergänge in Dresden als
„bürgerlichen Protest“ bezeichneten. Im Vortrag soll die mediale
Öffentlichkeit einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.
Es soll diskutiert werden, ob Begriffe und politische Fragmente
aus der extremen Rechten bereits in der „Mitte der Gesellschaft“
angekommen und normalisiert sind und welche Verantwortung
Medien haben.

Zur Facebookveranstaltung hier!


04.06.2019, 19 Uhr:
Filmvorführung – The truth lies in Rostock

Das Provisorium, Dorstenerstr. 14, 44787 Bochum

August 1992, Rostock – Lichtenhagen. Die Polizei schaut zu, als
Faschisten die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge (ZAST)
und ein Wohnheim von vietnamesischen VertragsarbeiterInnen mit Molotowcocktails bombardieren. Eine Montage von
Videomaterial, gedreht aus den angegriffenen Häusern heraus,
Interviews mit Anti-FaschistInnen, den vietnamesischen
VertragsarbeiterInnen, der Polizei, mit BürokratInnen, Neonazis
und AnwohnerInnen. Eine Dokumentation über das heimliche
Einverständnis der Politik und über die verbreitete Angst.

Zur Facebookveranstaltung hier!


06.06.2019, 19 Uhr:
Vortrag von Hendrik Puls „Größtmögliche Aufklärung? – Der NSU-Komplex und Nordrhein-Westfalen“

Rottstr 5 Kunsthallen, Rottstr. 5, 44793 Bochum

In seinem Bekennervideo erklärt der „Nationalsozialistische
Untergrund“ (NSU) sich für drei Anschläge in NRW verantwortlich: für die Bombenexplosion im Januar 2001 in einem Lebensmittelgeschäft in der Kölner Probsteigasse; für den Nagelbomben-Anschlag in Köln 2004 und für die Ermordung von Mehmet
Kubaşık in Dortmund 2006. Das Wissen über den NSU-Komplex
hat sich stark vergrößert, aber noch immer sind zahlreiche Fragen offen. Dies liegt u.a. daran, dass sich Bundesanwaltschaft
früh auf die These eines abgeschotteten Trios festgelegt hat.
Zugleich verweigern sich die Verfassungsschutzbehörden der
Aufklärung des Komplexes, in dem sie Akten vernichten ließen,
Einfluss auf die Ermittlungen nahmen und die Untersuchungsausschüsse nur lückenhaft informierten.
Der Referent Hendrik Puls ist Soziologe und war als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“
zuständig für den NSU-Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags. Er wird den neusten Erkenntnisstand zu den Taten des NSU in Nordrhein-Westfalen darstellen
und offene Fragen benennen. Dabei wird er ein besonderes
Augenmerk auf die Ermittlungen zum Mord an Mehmet Kubaşık
und auf Hinweise auf mögliche Unterstützer*innen aus der
Neonazi-Szene in Dortmund und Kassel legen.

Zur Facebookveranstaltung hier!


14.06.2019, 18.30 Uhr:
Podiumsdiskussion mit der Initiative DU 1984 „Von Rassismus wurde nicht gesprochen.“

Blue Square RUB, Kortumstr. 90, 44787 Bochum

Podiumsdiskussion mit der Initiative DU 1984
„Von Rassismus wurde nicht gesprochen.“ Rassismus, Rechte Gewalt und selbstorganisierte Aufklärung

In Duisburg-Wanheimerort sterben bei einer Brandstiftung am 26. August 1984 sieben Mitglieder einer „Gastarbeiterfamilie“. Staatsanwaltschaft und Polizei schließen schnell ein „ausländerfeindliches“, politisches Motiv aus. Der Fall wird erst 1996 aufgeklärt und eine „Einzeltäterin“ als Pyromanin verurteilt. Hinterbliebene und Betroffene wurden allein gelassen.
35 Jahre später entsteht eine Initiative aus Angehörigen und Aktivist*innen. Diese betrachtet die Aufklärung der Brandstiftung als unvollständig und will Rassismus als Motiv überprüfen.
In den 1980ern etablieren sich neue Formen der Migrationsabwehr und des gesellschaftlichen Rassismus: Die Duisburger Unternehmen starten mit Bund und Ländern im Frühjahr 1984 die Rückkehrkampagne von sogenannten „ausländischen Arbeitern“. 1981 erscheint das Heidelberger Manifest, in dem Professoren von der „Unterwanderung des deutschen Volkes“ schreiben und Argumente für die Bürgerinitiative „Ausländerstopp” liefern. 1982 sagt Helmut Schmidt, dass ihm kein Türke mehr über die Grenze kommt.
Nach wie vor stellt rassistische Gewalt ein Dunkelfeld dar. Systematisch werden politische und rassistische Motive weder erwähnt noch strafrechtlich angemessen verfolgt. Seit den NSU-Prozessen wissen wir, wie behördliche Blindheit zur Entwertung von Rassismuserfahrungen, institutioneller Gewalt und Ohnmacht führt.
In dieser Veranstaltung fragen wir, wie eine Anerkennungs- und Erinnerungspolitik für die Opfer rechter Gewalt aussehen kann, wie man über Prekarisierungsfolgen sprechen, Solidarität organisieren und eine erweiterte Rassismusanalyse durchsetzen kann.

Gäste:
NN (Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung)

Bengü Kocatürk (DOMiD – Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V.)

Kutlu Yurtseven (Initiative Keupstraße ist überall)

Jan-Robert Hildebrandt (Opferberatung Rheinland)

Um Anmeldung per Email wird gebeten: inidu84@riseup.net

In Kooperation mit Interkultur Ruhr.
Gefördert von: Rosa Luxemburg Stiftung NRW, Amadeu Antonio Stiftung, Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste, GLS Treuhand, Kultursekretariat NRW und Stadt Duisburg.

Die Veranstaltenden behalten sich bei allen Veranstaltungen vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die der rechten Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.


Zur Facebookveranstaltung hier!